Popularklage: Wählbarkeit für den Landtag ohne Wohnsitz in Bayern

Martial00120
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Popularklage: Wählbarkeit für den Landtag ohne Wohnsitz in Bayern

Beitrag von Martial00120 »

Ich habe gestern eine Popularklage beim bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Das Ziel: das passive Wahlrecht auch ohne Wohnsitz in Bayern zu erhalten. Der Münchener Merkur berichtet: https://www.merkur.de/bayern/auslands-bayer-will-bayerische-staatsangehoerigkeit-und-klagt-7299934.html Die Antragsschrift und Zusammenfassung findet ihr hier auf meinem Blog: https://bayerninguterverfassung.wordpress.com
Stefan Grabert
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Beitrag von Stefan Grabert »

Moin, ich kann den Sinn und das Ziel nicht wirklich erkennen. Was haben Sie vor?
Martial00120
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Beitrag von Martial00120 »

Dass ich in Bayern wohnen muss, um zu kandidieren, halte ich für anachronistisch. Es entscheiden ja die Wähler oder die Delegierten und denen wird ja letztlich kein Kandidat von außerhalb aufgezwungen. Also muss man den wählbaren Personenkreis auch nicht künstlich einschränken. Besonders bedeutsam ist natürlich, dass die bayerische Staatsangehörigkeit dann doch eingeführt werden muss....
Stefan Grabert
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Beitrag von Stefan Grabert »

Moin, dann verstehe ich das also richtig, dass Sie gerne in Bayern kandidieren möchten, obwohl Sie Ihren Lebensmittelpunkt beispielsweise in der Schweiz haben. Und Sie möchten dies an dem nicht minder anachronistischen Konstrukt der Bayrischen Staatsangehörigkeit festmachen? Man möchte fast meinen, dass Lucius Clay 1948 vielleicht nicht ganz so verkehrt lag, zumindest als heimlicher Ketzer. Ich sehe in dem Hilfskonstrukt, dass Sie nun bemühen, keine gute Idee, die über Bayern hinaus befruchtend wirkt. Hier wäre ein Anschub für eine grundsätzliche Überlegung besser, was Ihnen bis Herbst 2018 vermutlich nicht weiterhelfen wird. Ohnehin dürfte die Zeit gegen Sie spielen. Hätten Sie einen Listenplatz um den Platz 30 zu erwarten oder einen sicheren Wahlkreis in Aussicht? Ansonsten wäre mir die generelle Überlegung für alle Wahlen angenehmer, als ein Bayrischer Weg. Ich schreibe dies so ablehnend, weil ich befürchte, dass in Hessen der Verfassungskonvent gerade auf dem Weg Anachronismen aus der Verfassung zu verbannen, bereits abgelegt geglaubte wiederbeleben wird.
Thomas Frings
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Beitrag von Thomas Frings »

"Und Sie möchten dies an dem nicht minder anachronistischen Konstrukt der Bayrischen Staatsangehörigkeit festmachen?" Eine bayerische Staatsangehörigkeit ist schon wegen Art. 33 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Ein bayerisches Staatsangehörigkeitsgesetz gibt es auch nicht. Dass die Klage offensichtlich unbegründet ist, sollte klar sein.
Martial00120
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Beitrag von Martial00120 »

@Stefan Grabert Ich bin dafür, dass passive Wahlrecht vollkommen freizugeben für alle Deutsche. Kenenn Sie diesen Fall von Meck-Pomm? http://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-mecklenburg-vorpommern/wohnsitz-des-afd-politikers-wo-wohnen-leif-
Stefan Grabert
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Beitrag von Stefan Grabert »

Moin, ich darf es vielleicht einmal etwas überspitzt darstellen, was ich aus Ihrer Antwort am Thomas Frings herauslese: "Deutsche in Bayern können also in Bayern bayrisch sein - bayrische Bayern sind aber bayrischer, auch wenn sie nicht in Bayern sind". Das ist hoffentlich nicht zu zynisch? Ich denke, das dürfte Ihren Ansatz so einigermaßen treffen, aus dem Sie die Wählbarkeit ableiten wollen, um die Wohnsitzbindung aufzubrechen. Das irritiert mich zunehmend. Dass Sie nun ausgerechnet mit Leif-Erik Holm argumentieren, irritiert mich nicht minder. Mich beschleicht daher das dumme Gefühl, dass hier am Ende eine Lex Martial geschaffen werden soll, mit zweifelhafter Aussicht auf Erfolg, wie Thomas Frings bereits andeutete. Zudem halte ich die Wohnsitzbindung nicht grundsätzlich für anachronistisch, ganz im Gegensatz zur Debatte um die Bayrische Staatsbürgerschaft. Man kann aus meiner Sicht über die Wählbarkeit diskutieren, allerdings möchte ich zu bedenken geben, was es bedeutet, wenn ein Landtagsabgeordneter eines Landes seinen Lebensmittelpunkt nicht in dem Bundesland hat, in Ihrem Falle sogar nicht einmal in Deutschland. Die Staatsbürgerschaft, die Sie hilfsweise als Argument anführen (daran halte ich fest), halte ich für eine Debatte über die Wählbarkeit für schädlich. Ihnen geht es, wenn ich es richtig interpretiere, in erster Linie um die Wählbarkeit, treten damit möglicherweise aber erst einmal eine Debatte um den Erhalt und die Aufwertung der Bayrischen Staatsbürgerschaft los. Dem kann und mag ich nicht folgen, weil für mich hier die falschen Signale gesetzt werden. Bestenfalls geht eine solche Diskussion unter, schlimmstenfalls bekommen wir die Föderalismus-Debatte auf den Kopf gestellt. Und auch, wenn ich hier vielleicht arg barsch und patzig wirke, reales Ziel, eingeschlagenen Weg und mögliche Konsequenzen möchte ich wirklich gerne diskutieren.
Martial00120
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Beitrag von Martial00120 »

Servus, Ich denke ihre überspitzte Darstellung trifft es schon. Es geht natürlich um die Grundsatzfrage: wie kann das Staatsvolk im Bundesland rechtlich konstruiert werden? Eine Variante wäre es, an den Wohnort anzuknüpfen. Eine andere Variante wäre es über einen personengebunden Rechtstitel zu gehen, der eben die Staatsbürgerschaft darstellt. Im Kanton Neuchâtel und einigen anderen Schweizer Kantonen sind z.B. alle Ausländer in kantonalen Angelegenheiten seit ca. 1865 wahlberechtigt. Auch Bremen wollte durchaus einmal das Ausländerwahlrecht einführen. Länder wie Berlin definieren ihr Staatsvolk gerade über den Wohnsitz "Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben. " (Art.2 BerlinV). Bayern tut gerade aber das Gegenteil. Ich behaupte, dass in Bayern das Staatsvolk primär über die Staatsangehörigkeit konstruiert wird (absoluter Bezug) und sekundär über den Wohnort (relativer Bezug). Eine Hauptmotivation für meine Klage ist es wohl, das juristische Rätsel über die bayerische Staatsangehörigkeit gelöst zu haben. In der von mir dargestellten Konstruktion hat sie nämlich eine praktische Relevanz. Und das schöne ist. Nichtbayerische Deutsche werden ja nicht diskriminiert. In den 50er und 60ern war das ja noch ganz anders. Wenn es dort ein Staatsangehörigkeitsgesetz gegeben hätte, wären damals wohl vor allem die Vertriebenen nicht rechtlich, aber faktisch diskriminiert worden. Das Beispiel von Leif-Erik Hom habe ich nur gebracht, weil gerade in MV die Abwanderung von Fachkräften in die großen Städte sich wohl besonders nachteilig auswirkt. Der Wegfall der Wohnsitzbindung bewirkt grundsätzlich erstmal nicht viel, wenn nicht Wähler und Parteidelegierte mitmachen. Die muss man mit guten Argumenten schon überzeugen. Das muss dann sicher eine besondere Spezialkompetenz sein, denn im Zweifelsfalle nimmt man eher die vor Ort verwurzelten Personen. Es ist aber auch ganz klar, dass es nicht in meinem Sinne wäre, wenn der halbe Landtag in Berlin oder auf Mallorca wohnt. Ich sehe keinen Grund, dass das Gesetz die Delegierten und die Wähler davor "schützt", einen Kandidaten zu wählen, der außerhalb Bayerns wohnt. Zudem kann es ja auch viele Grenzfälle geben, von vorübergehender Abweisenheit oder von Wohnsitznahme nahe an der Landesgrenze. Warum soll denn ein für Aschaffenburg kandidierender Kandidat nicht in Frankfurt wohnen? Zudem geht es mir ganz persönlich auch darum, als Franke meine fränkischen Landsleute anzuregen, sich doch systematisch und konstruktiv in Bayern einzubringen, als sich gelegentlich etwas passiv-aggressiv zu verhalten. Und den "Oberbayern" will ich ein Signal geben, dass Bayern eben nicht an der Donau aufhört
Thomas Frings
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Beitrag von Thomas Frings »

"Es gibt keine Diskriminierung von nichtbayerischen Deutschen, alles bleibt für diese, wie es ist. [...] Neu ist freilich, dass bayerische Staatsbürger auch kandidieren dürfen, wenn sie nicht in Bayern wohnen." Der zweite Satz widerspricht dem ersten. Eine Landesstaatsangehörigkeit, an die irgendwelche Rechte geknüpft sind, ist immer GG-widrig. "Das GG regelt übrigens nur die "Staatsangehörigkeit im Bunde"." Rabulistik. Die Formulierung im GG dürfte darauf zurückgehen, dass die direkte deutsche Staatsangehörigkeit erst 15 Jahre früher eingeführt wurde und damit noch nicht so selbstverständlich war wie heute. Bis 1934 war man Deutscher nur dadurch, dass man Staatsangehöriger eines deutschen Bundesstaates war (abgesehen von praktisch unbedeutenden Ausnahmen). http://www.verfassungen.de/de/de67-18/rustag13.htm Eine ähnliche Konstruktion gibt es ja noch in der Schweiz mit dem Gemeindebürgerrecht, wobei das heutzutage aber nur sehr wichtig ist, wenn man eingebürgert werden will.
Martial00120
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Beitrag von Martial00120 »

Nope, Art. 74 GG , Nr. 8 (alt) hieß: Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: (...) Nr. 8. die Staatsangehörigkeit in den Ländern. Im Umkehrschluss meint Art. 73 GG genau das, die heutige Staatsangehörigkeit im Bunde, es meint nicht die 1934 fortgefallene mittelbare Reichsangehörigkeit. Art. 33 I GG heißt in seinem Wortlaut: Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Das kann nicht so ausgelegt werden, das alle Deutschen in jedem Land das gleiche Wahlrecht hätten. Sonst könnte ganz Niedersachen die Bremische Bürgerschaft wählen. Das sagt auch Battis (2014, S. 1134) in Sachs „Unstr. ist, dass Art. 33 I GG nicht verbietet, gesetzliche Regelungen zum Wahl- recht oder zur Wählbarkeit zu erlassen, die an die Wohnsitznahme anknüpfen, z. B. nw WahlG § 1 Nr. 3, Art. 75 I 2, 107 IV Bremer Verfassung.“ Vielmehr ist es - in Wahlrechtssachen - so auszulegen, wie in der bayerischen Verfassung: Art. 8 "Alle deutschen Staatsangehörigen, [b]die in Bayern ihren Wohnsitz haben[/b], besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen." Auch in Art. 33 ist ja ein Ortsbezug enthalten "in jedem Lande", der sprachlich freilich etwas unpräziser ist. Dass das Landesstaatsvolk gegenwärtig fast ausschließlich über den territorialen Bezug konstruiert wird, ergibt sich nicht zwingend aus Art. 33 I. Art. 33 I GG stellt nur sicher, dass ein Land die im jeweiligen Land wohnenden Personen gleichstellt, nicht aber die nicht dort wohnenden. Andersrum wird ein Schuh draus. Eine reine Konstruktion über die Landeszugehörigkeit wie im Kaiserreich wäre tatsächlich verboten. Bayern dürfte also in Bayern wohnende "Preußen" nicht ausschließen und nur eigene Staatsbürger zulassen. Eine Mischung aus personellem und territorialem Bezug, ist allerdings möglich, dergestalt, dass man - entweder in Bayern wohnt - oder bayerischer Staatsbürger ist Wer keines von beiden Bezügen vorweist, darf eben nicht, mangels Bezug zu Bayern. Ein Niedersachse in Niedersachsen darf nicht für den bayerischen Landtag kandidieren, aber auch nicht für den in NRW. So what? Gerade beim aktiven Wahlrecht muss irgendwo die Grenze gezogen werden. Beim passiven Wahlrecht bin ich für die vollständige Freigabe. Zudem entscheidet der bayerische Verfassungsgerichtshof gar nicht anhand des Grundgesetzes, sondern vorwiegend auf Basis der Verfassung. Wenn du ein entsprechendes bayerisches Urteil dann angreifen möchtest, hättest du wohl auch kaum prozessuale Möglichkeiten dagegen, da das Bundesverfassung die Wahlgesetze der Länder ja nicht im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Es kann aber sein, dass ich mich irre.
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