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Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Mi 23. Jun 2004, 11:37
von iwiwiwm
Weiß jemand, was passiert, wenn in Baden-Württemberg in einer Gemeinde mit unechter Teilortswahl in einem Wohnbezirk ein Kandidat einer Liste ausscheidet, diese Liste aber keinen Nachrücker in diesem Wohnbezirk hat? Verfällt dieser Sitz dann?

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Mi 23. Jun 2004, 12:13
von c07
§ 31 GemO legt nahe, dass sie im Allgemeinen nicht besetzt werden, wenn es keine Ersatzperson gemäß KomWG gibt. Allerdings werden auf jeden Fall die Gemeinderäte, die auf einem Ausgleichsmandat sitzen, auch aus einem anderen Wohnbezirk ersetzt. Eine Ungleichbehandlung nach normalen und Ausgleichsmandaten erscheint mir aber nur schwer zu rechtfertigen sein. Explizit geregelt ist der Fall offenbar nicht, und ich weiß auch nicht, wie es in der Praxis gehandhabt wird.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Mo 2. Aug 2004, 16:26
von Thilo
Der GemO-Kommentar zu §31,Rand-Nr.11, sagt: "Ist ein Sitz der Erstzuteilung duch Nachrücken zu besetzen,...; steht in diesem Wohnbezirk kein Ersatzmann mehr zur Verfügung, bleibt der Sitz unbesetzt." Also das normale Mandat ("Direktmandat") bleibt in diesem Fall unbesetzt

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Di 3. Aug 2004, 11:28
von Mörsberg
Also ein weiteres Argument für eine Mindestgröße von Teilortswahlkreisen. Zwar dürfen im Ein-Sitz-Teilort auch zwei Kandidaten aufgestellt werden, aber das geht zu Lasten der übrigen Teilorte und wird deswegen nicht oft gemacht. Damit ist das Risiko, dass die Liste bei Ausscheiden des Gewählten erschöpft ist, unverhältnismäßig hoch.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Di 3. Aug 2004, 13:54
von Thilo
@Mörsberg.Deine Auffassung, dass zwei Kandidaten im Ein-Sitz-Teilort zu Lasten der übrigen Teilorte gehen, geht in die falsche Richtung. Zu beobachten ist,dass sich in Ein-Sitz-Teilorten die Listen mit 2 Kandidaten oftmals ins eigene Fleisch schneiden. Denn: Gibt ein Wähler z.B. je 3 Stimmen an beide Listen-Kandidaten dieses Teilorts, dann sind alle 6 Stimmen ungültig, da nur ein Kandidat gewählt werden kann.Trotz dieses hohen Risikos ungültiger Stimmen stellen viele Listen trotzdem 2 Kandidaten auf, weil für die Erlangung des Direktmandats zwei Kandidaten unter Umständen mehr Stimmen zusammen in die Waagschale werfen können als ein Kandidat. Zur Mindestgröße von Teilortswahlkreisen: Wenn schon Unechte Teilortswahl, dann sollte die Mindestgröße bei 4 oder 5 Sitzen liegen. Noch besser wäre es allerdings, die unechte Teilortswahl gleich ganz abzuschaffen.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Di 3. Aug 2004, 20:16
von Martin Fehndrich
Eine Nachteil der Teilortswahl ist auch, daß die Bewohner des großen Hauptortes die Kandidaten im kleinen Teilort praktisch bestimmen können und so die ganze Teilortswahl ad absurdum geführt wird.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Fr 6. Aug 2004, 13:20
von Mörsberg
> Zur Mindestgröße von Teilortswahlkreisen: Wenn schon Unechte > Teilortswahl, dann sollte die Mindestgröße bei 4 oder 5 Sitzen > liegen. Wieso gleich so viel? Man bedenke bitte, dass die Soll-Gesamtgröße der Gemeinderäte meist so um die 20 Sitze oszilliert. Das Risiko, dass alle Sitze an eine Liste gehen, was, wenn es mehrfach vorkommt, am Ende ja der häufigste Grund für Überhang ist, ist schon bei Dreierwahlkreisen auch mit d'Hondt gering genug (ergibt dann meistens CDU 2, FWV 1 oder umgekehrt bzw. CDU 1, FWV 1, SPD oder Grüne 1). > Noch besser wäre es allerdings, die unechte Teilortswahl gleich > ganz abzuschaffen. Diese Haltung finde ich nun arg destruktiv. Nur weil das System einige Mängel enthält, muss man es doch nicht gänzlich abschaffen. Der größte Mangel ist die fehlende Evaluierung. Einige Fehlentwicklungen wären wahrscheinlich recht leicht zu korrigieren. > Eine Nachteil der Teilortswahl ist auch, daß die Bewohner des > großen Hauptortes die Kandidaten im kleinen Teilort praktisch > bestimmen können Ja, aber auch umgekehrt. Genau das war nämlich die Absicht dieses Verfahrens, nämlich erstens eine garantierte Sitzzahl für einzelne Teilorte, aber zweitens ein Modus, der das Zusammenwachsen von Großgemeinden eher befördert statt behindert.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: Fr 6. Aug 2004, 19:45
von Martin Fehndrich
>> Eine Nachteil der Teilortswahl ist auch, daß die Bewohner des >> großen Hauptortes die Kandidaten im kleinen Teilort praktisch >> bestimmen können >Ja, aber auch umgekehrt. Genau das war nämlich die Absicht >dieses Verfahrens, nämlich erstens eine garantierte Sitzzahl >für einzelne Teilorte, aber zweitens ein Modus, der das >Zusammenwachsen von Großgemeinden eher befördert statt behindert. Der garantierte Sitz muß aber nicht an einen Kandidaten gehen, der seine Stimme aus dem Teilort erhält.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: So 8. Aug 2004, 12:45
von Thilo
Die unechte Teilortswahl hat einen einzigen Vorteil: Dem Teilort wird ein bestimmte Anzahl von Sitzen im Gesamtgemeinderat garantiert.Demgegenüber sehe ich fast nur Nachteile. Nachteil Nr.1: Die Bewohner eines Teilorts können nur einen kleineren Teil ihrer Stimmen auf Kandidaten ihres Teilorts verteilen.Die übrigen Stimmen können nur auf andere Teilorte verteilt werden - in der Regel profitiert von dieser Regel der größte Teilort, oftmals auch Kernstadt genannt. Dagegen können Wähler aus der Kernstadt meistens alle ihre Stimmen auf Kernstadt-Kandidaten verteilen - ohne auf die Teilorte ausweichen zu müssen. Letztendlich führt dies dazu, dass der überwiegende Teil der Ausgleichsmandate auf die Kernstadt fällt.Insofern wird der Vorteil (garantierte Sitzzahl für jeden Teilort)durch die Verteilung der Ausgleichsmandate wieder relativiert. Nachteil Nr.2: Die Zahl der komplett ungültigen Stimmzettel beträgt oftmals bis zu 5%. Die Zahl der Fehlstimmen (teilweise ungültige Stimmen und nicht ausgeschöpfte Stimmen)kann bis zu weiteren 20% betragen).Bei einer Abschaffung der unechten Teilortswahl ließen sich diese Effekte stark reduzieren.

Baden-Württemberg: Unechte Teilortswahl

Verfasst: So 8. Aug 2004, 14:06
von c07
Mir scheinen auch die Nachteile deutlich zu überwiegen, aber mit ein paar Korrekturen könnte man das Verfahren zumindest akzeptabel machen: Mindestgröße der Teilorte von etwa 3 Sitzen, vernünftiges Zuteilungsverfahren (Sainte-Laguë) und Gleichbehandlung bei den Häufelmöglichkeiten, entweder durch Wegfall des Häufelmaximums oder durch feste Stimmverteilungsvorgaben für alle. Letzteres könnte zwar den unerwünschten Nebeneffekt haben, dass die kleinen Teilorte praktisch fremdbestimmt sind, aber wenn man das einseitig vermeiden will, wär es ehrlicher und einfacher, dass die Sitze der kleinen Teilorte auch formal nur dort bestimmt werden, während für den Hauptort alle wählen, wobei die Wähler aus den kleinen Teilorten entsprechend weniger Stimmen hätten. Wenn man auch dem großen Teilort ein paar private Sitze gönnt und aus dem Rest einen gemeinsamen Pool macht, funktioniert es auch noch mit mehreren großen Teilorten.