Seite 1 von 1
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: So 24. Jun 2001, 08:03
von Thomas Behm
Hallo, Ich habe eine Frage zu den Bundesversammlungen 1949 und 1954. Bei beiden Wahlen erhielten auch Personen Stimmen, die nicht nominiert waren. z. B. 1949: Amelunxen (Zentrum) 30 Stimmen Wie ist dies zu Stande gekommen? Danke im Voraus.
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Mo 25. Jun 2001, 20:39
von Wilko Zicht
Jedes Mitglied der Bundesversammlung darf Kandidaten nominieren. Ob die Betroffenen mit der Nominierung einverstanden sind, wird erst ggf. nach der Wahl gefragt ("Nehmen Sie die Wahl an?"). So ist es mehrmals vorgekommen, daß Personen ohne oder gar gegen ihren ausdrücklichen Wunsch nominiert wurden. Stimmen, die für nicht nominierte Kandidaten abgegeben wurden, sind dagegen ungültig.
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Do 14. Mär 2002, 18:28
von Eike Biehler
Wobei heute bei der Einreichung eines Vorschlages die schriftliche Einverständniserklärung des Vorgeschlagenen vorliegen muss.
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Mi 8. Sep 2004, 06:46
von Fragender
Aus welchem Grunde war das vorherige Einverständnis früher nicht notwendig?
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Mi 8. Sep 2004, 07:18
von Kai
Man hat es schlicht vergessen zu regeln. Die Wahl des Bundespräsidenten war vor Erlass des Bundespräsidentenwahlgesetes nur in einem schmalen Paragraphen des Bundeswahlgesetzes (1949: § 25, 1954: § 59) geregelt. Die Aufstellung der Kandidaten war hier überhaupt nicht reglementiert. Man hielt es vermutlich auch für selbstverständlich, dass nur Kandidaten nominiert werden, die auch Bundespräsident werden wollen. Jedoch hat tatsächlich 1954 eine Partei, ich meine, es wäre die KPD gewesen, einen Kandidaten aufgestellt, der davon nichts wusste und hinterher auch ziemlich verärgert war, dass er gegen Theodor Heuss kandidieren musste. Seit 1959 legt aber § 9 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz BPräsWahlG fest: die schriftliche Zustimmungserklärung des Vorgeschlagenen ist beizufügen
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Mi 8. Sep 2004, 07:42
von Fragender
"schlicht vergessen" halte ich bei der deutschen Regelungswut für nicht unmöglich. Und das man es sich nicht vorstellen konnte glaube ich ebenfalls nicht. In diesem Land passiert nichts (auch keine Nichtregelung) ohne Vorsatz. Also nochmal: Mit welchem Recht konnte man Leute gegen ihren Willen vorschlagen.
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Mi 8. Sep 2004, 09:47
von Kai
Sie übersehen, dass es sich um Normen aus der Zeit der Konstituierung der Bundesrepublik handelte. Das Wahlgesetz zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 (BGBl. S. 21) umfasste nur 27 Paragraphen. Über den Ablauf der Bundesversammlung enthielt er nur folgende schmale Regelung: § 25 (1) Die Ministerpräsidenten berfuen auf spätestens den dreißigsten Tag nach der Whal des Bundestages diesen zu seiner Konstituierung und die Bundesversammlung zur Wahl des ersten Bundespräsidenten ein. Unmittelbar nach der Wahl des Präsidenten des Bundestages findet die Wahl des Bundespräsidenten statt. (2) Die Wahlhandlung leitet der Präsident des Bundestages. Er teilt dem Gewählten die Wahl mit. Der Gewählte gibt die Annahmeerklärung ihm gegenüber ab. (3) Der Präsident des Bundestages veranlaßt die Vornahme der Vereidigung des Bundespräsidenten und die Bekanntgabe seines Amtsantrittes in den Amtsblättern der Landesregierungen. Das ist alles. Das Wahlgesetz zum zweiten Bundestag und zur Bundesversammlung vom 8. Juli 1953 (BGBl. I S. 470) war schon etwas ausführlicher. Die Regelung zur Bundesversammlung aber ähnlich knapp: § 59 [b]Wahl des Bundespräsidenten[/b] (1) Der Präsident des Bundestages leitet die Wahl des Bundespräsidenten. Er teilt dem Gewählten die Wahl mit und fordert ihn auf, unverzüglich zu erklären, ob er die Wahl annimmt. Der Gewählte gibt die Annahmeerklärung ihm gegenüber ab. (2) Das Amt des Bundespräsidenten beginnt mit dem Eingang der Annahmeerklärung bei dem Präsidenten des Bundestages, frühestens jedoch mit dem Tage nach Ablauf der Amtszeit des bisherigen Bundespräsidenten. (3) Des Präsident des Bundestages veranlaßt die Eidesleistung des Bundespräsidenten und gibt seinen Amtsantritt im Bundesgesetzblatt ab. Beachten Sie, dass das Bundesgesetzblatt des Jahres 1950 lediglich 826 Seiten stark war, das des Jahres 2003 in Teil I 3.144 Seiten und in Teil II 2176 Seiten, zusammen also 5.320 Seiten oder knapp das 6,5-Fache. Die Regelung kam eben in das Gesetz von 1959, nachdem 1954 der nicht vorgesehene (und daher nicht verboten gewesene) Fall aufgetreten war, dass ein Kandidat gegen seinen Willen nominiert wurde.
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Di 7. Jun 2005, 15:01
von Jochen
Warum wählt das Volk nicht den Bundespräsidenten???
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Di 7. Jun 2005, 16:57
von Kai
Weil das die Verfassungsväter 1949 nicht wollten, nachdem bei den beiden Volkswahlen in der Weimarer Republik jeweils Paul von Hindenburg, der nicht wirklich Anhänger der Demokratie war, rausgekommen war.
Bundesversammlung - nicht nominiert?
Verfasst: Mi 6. Jul 2005, 12:27
von Immauel Goldstein
"Weil das die Verfassungsväter 1949 nicht wollten, nachdem bei den beiden Volkswahlen in der Weimarer Republik jeweils Paul von Hindenburg, der nicht wirklich Anhänger der Demokratie war, rausgekommen war." Nettes Märchen - aber Präsident während Weimar ist wohl etwas anderes als Bundespräsident (verschiedene Bedeutung und Befugnisse). Der Hauptgrund wird wohl ein verständliches Mißtrauen in die eigene Bevölkerung gewesen sein (deswegen auch keine bundesweiten Plebiszite und die Einführung der 5% Hürde). Man misstraute weniger dem Präsidentenamt (das eh entschärft war) als vielmehr einer durch die NS-Zeit geprägten Bevölkerung. Das nette Märchen diente zur INtegration um die Menschen nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen (hat auch dankenswerterweise gut geklappt). Kleine Anmerkung: bei der zweiten Wahl war der ausgewießene Anti-demokrat (aber auch Ultralegalist, was das wieder in gewisser Hinsicht wettmacht) v. Hindenburg Kandidat (zumindest im 2. Wahlgang) aller demokratischer Parteien. Allgemein: es ist immer wieder überraschend wie die Staats- und Institutionsstruktur Weimar in verdrehter Form zur Rechtfertigung der Bundesinstitutionen und des Grundgesetzes benutzt wird (es gibt viel an Weimar zu kritisieren - v.a. die Machtvollkommenheit des Präsidenten und die Möglichkeit via Präsidialverordnung zu regieren -aber weder die Zersplitterung des Parlaments, noch Plebiszite, noch die 5%-Hürde oder die schnell wechselnden Mehrheiten im Parlament waren undemokratisch oder gar Ursache für die Präsidialdiktur (seit Brüning) oder noch schlimmeres danach (die Exekutive und nicht die Legislative hat Weimar in eine Diktatur entarten lassen). Warum die Bevölkerung den Bundespräsidenten heute nicht wählen sollte, ist leicht einsichtig: 1. diese Position bring kaum polit. Entscheidungsgewalt (von den seltenen Außnahmen abgesehen) und sollte nicht durch Wahlkämpfe von wichtigeren Themen und Abläufen ablenken. Es wird ja auch nicht der Bundestagspräsident gewählt. 2. Der BUNDESpräsident ist Staatsoberhaupt eines föderalistischen Bundestaats (um es mal ganz unreflektiert und plakativ zu formulieren) - die Bevölkerung wählt nirgends direkt Gesamtbundesentitäten (wir wählen Landeslisten, Direktkandidaten, Landesparteien bei Landtagswahlen etc., aber es gibt keine Bundeslisten und der Bundesrat wird auch nicht gewählt). Der BUNDESpräsident ist also kein VOLKspräsident (man verzeihe den Neologismus) und kein STAATSpräsident im engeren Sinne. Seine Funktionen umfassen zwar auch die Repräsentation von Volk und Staats haben aber einen anderen Schwerpunkt: höchste und letzte (aber nicht "mächtigste" Instanz eine föderalen (also aus Teilgebieten definierten) Staatsgebildes.