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Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Mo 11. Dez 2017, 10:10
von Andreas Taeger
Hallo Kollegen, da mein Vorschlag eines Grabenwahlsystems im anderen Thread eher negative Reaktionen hervorrief, komme ich hier nun mit einer weiteren Idee eines neuen Bundestagswahlrechts: Es bleibt grundsätzlich beim aktuellen Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimme für Direktkandidaten und Parteilisten. Doch bei der Ermittlung der Mindessitze jeder Landesliste wird lediglich das Zweitstimmenergebnis berücksichtigt, nicht aber die Anzahl der siegreichen Direktkandidaten. Mein Vorschlag wäre nämlich, dass jeder Landespartei nur soviele Direktmandate zugebilligt werden, wie ihr nach Zweitstimmen in diesem Bundesland zustehen. Die überzähligen siegreichen Direktkandidaten erhalten kein Mandat. Hierfür müsste eine Rangliste der siegreichen Direktkandidaten dieser Partei erstellt werden, z.B. nach dem jeweilig erzielten Erststimmenanteil in Prozent. Die Kandidaten mit den schlechtesten Erststimmenprozenten landen hinten in der Liste und fallen damit durch. In Wahlkreisen, in denen der siegreiche Kandidat aufgrund dieser Aussortierung nicht zum Zuge kommt, wird dann der Zweitplatzierte Inhaber des Direktmandats. Auf diese Weise würde der Bundestag nicht durch Überhang- und Ausgleichsmandate aufgebläht, es würde weiter bei der personalisierten Verhältniswahl bleiben und jeder Wahlkreis hätte seinen direkt gewählten Abgeordneten (auch wenn dies nicht immer der Erstplatzierte war). Wie ist eure Meinung zu diesem Vorschlag? _

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Mo 11. Dez 2017, 13:47
von Jan W.
Nichtzuteilung ist die unangenehme kleine Schwester des logischere. Schritts WENIGER WAHLKREISE. Und bei der Auswahl Deines Rangfolgekriteriums entscheidest Du Dich für eine besonders problematische Lösung. Sehr viele Wahlkreise sind in Deutschland sehr unspannend. Paderborn und Kulmbach sind dunkelschwarz, Gelsenkirchen und Emden/Aurich tiefrot. Sie sind für die Gegenseite ungewinnbar. Spannend sind Wahlkreise in der Mitte - Swing-Wahlkreise, deren Ausgang kaum vorherzusagen ist. Da wird hart gekämpft, da wird mitgefiebert. Und die werden auch nicht mit 40/50/60% gewonnen - gerade da wird der Sieger mit Prozenten in den 30ern vom Platz gehen. Und genau den umkämpften Teil der Mehrheitswahlkomponente nimmst Du ins Visier und willst ihn durch einen Zufallsgenerator ersetzen, während die Erbhöfe, in der Parteien auch einen Besenstiel aufstellen könnten, Deine schützende Hand erfahren. Würde man die Zielpersonen Deiner Streichung identifizieren, lass mich raten: es würde bei der Union fast ausschließlich kreisfreie Städte in der Liste geben. Und wenn Berlin mal eine weniger bunte Wahlkreiskarte hätte, würde Dein Mechanismus vor allem im Osten der Stadt toben.

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Mo 11. Dez 2017, 15:01
von Andreas Taeger
@ Jan W. Weniger Wahlkreise gingen auch, aber selbst dann ist nicht gewährleistet, dass es keine Überhangmandate gibt. Außerdem wird doch von fast allen Forumsteilnehmern immer wieder die sprichwörtliche "Nähe" zwisc

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Mo 11. Dez 2017, 16:10
von Thomas Frings
Nichtzuteilung überzähliger Direktmandate ist natürlich die sinnvollste Lösung, wenn man das jetzige Zuteilungsverfahren nicht fundamental ändern will. So etwas gab es von 1954 bis 1966 in Bayern, da schieden die Bewerber mit den wenigsten Gesamtstimmen aus. 1954 wurden deshalb die CSU-Direktkandidaten in den Stimmkreisen Deggendorf und Bogen-Viechtach nicht gewählt. Die CSU hatte alle 12 Stimmkreise in Niederbayern gewonnen, ihr standen aber nach Proporz nur 10 Sitze zu.

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Mo 11. Dez 2017, 16:25
von Jan W.
Ich find das komplette System absurd - die Rangfolge auf der Landesliste fänd ich minder schlimm, weil sie regionaler ausgewogen ist und sowohl Erbhof- als auch Swing-Wahlkreise vom Streichungsrisiko betroffen wären. Die "sprichwörtliche Nähe" ist hier im Forum kein übergroßes Argument - und sie wird pervertiert, wenn mir nachträglich der Zweitplatzierte als Direktabgeordneter aufgedrückt wird. Wie nennt man den Zweitplatzierten eigentlich, wenn er mit weniger Stimmen als das Großmaul das Mandat beansprucht? Eva Högl SPD 23,5% Stephan Rauhut LINKE 20,4% Frank Henkel CDU 18,6% Özcan Mutlu GRÜNE 17,9% Warum Rauhut, Henkel oder Mutlu in Berlin-Mitte weniger illegitime Abgeordnete sein sollen, wird mir nicht ganz klar. Größere Wahlkreise sind in Ordnung, wenn sie mehr Mandate produzieren - und auch Anhänger der zweitgrößten Partei das Gefühl haben, einen regionalen Ansprechpartner zu haben.

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Mo 11. Dez 2017, 20:14
von Martial00120
Wenn man schon Direktmandate nicht zuteilen will, dann wäre es sinnvoll, die Landesliste als umgekehrte Präferenzordnung zu nehmen und ein anderes statistisches Kriterium nur als nachrangig. Dein Vorschlag würde bei der CSU z.B. einseitig München und Nürnberg bestrafen. Die Parteien wählen ja mit der Landesliste schon eine Präferenzordnung, die kann ja doppelt Anwendung finden.

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Di 12. Dez 2017, 08:59
von Andreas Taeger
@ Thomas Frings Ich werte die Ausführungen mal als Zustimmung zu meinem Vorschlag. Danke dafür. Für eine fundamentale Änderung des Wahlsystems wäre ich aber auch durchaus offen... @Jan W. Das mit dem Aufdrücken des direkt g

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Di 12. Dez 2017, 12:18
von Martial00120
@Andreas Traeger Na, dann würde man halt den Gewinner bestrafen und den abgewählten Verlierer bestrafen. Beispiel München-Nord 2009. Johannes Singhammer (CSU) gewann realerweise das Mandat von Axel Berg (SPD). Nach deinem

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Di 12. Dez 2017, 13:55
von Jan W.
@A.T. Dein Vorschlag würde den Anteil der Aufgedrückten um weitere 3 Prozentpunkte steigern - und in anderen Wahlkreisen wäre die Steigerung noch größer. Angenommen, es gäbe zwei angrenzende Wahlkreise gleicher Gemengelage(

Neues Bundestagswahlrecht: SNTV in Zweimannwahlkreisen

Verfasst: Di 12. Dez 2017, 18:21
von Thomas Frings
"Ich werte die Ausführungen mal als Zustimmung zu meinem Vorschlag." Was die Streichung angeht, ja. Ansonsten nein. "Wie in dem von dir angeführten Beispiel aus Berlin bekommt die SPD mit gerademal 23,5% das Mandat - das empfinden die anderen 76,5% der Wähler sicher auch als aufdrückend." Es ist sicher nicht einsichtig, warum mit unter 30 % gewonnene Direktmandate den Bundestag aufblähen müssen. Widersinnig ist es aber, jemanden mit noch weniger praktisch zum Sieger zu machen.